Gastbeitrag


Meine Still- bzw. Nichtstillgeschichte

In der Schwangerschaft machte ich mir nie großartig Gedanken über das Stillen, wird schon klappen, sagte ich mir immer. Geplant hatte ich eine Geburt im Geburtshaus, wollte kurz nach der Geburt wieder nach Hause gehen, um dort in Ruhe mein Baby kennenzulernen.

Ich hatte eine wirklich unkomplizierte Schwangerschaft, bis 4 Tage vor ET eine akute Schwangerschaftsvergiftung festgestellt wurde. Schon einen Tag später wurde ich eingeleitet. So hatte ich mir das Alles nicht vorgestellt. Am Abend des gleichen Tages setzten die Wehen ein. Es ging alles wahnsinnig schnell, bis es zum Geburtsstillstand kam. Trotz 1,5 Stunden Presswehen ging nichts mehr voran. Mein Sohn musste mit der Saugglocke geholt werden. Am 31.01.2016 um 2.10 Uhr war es geschafft, unser Sohn wurde geboren. Das erste Kuscheln war wunderschön und sofort suchte er nach der Brust.

Leider wurde die Plazenta nicht komplett geboren und mein Mann musste mit unserem Sohn den Kreißsaal verlassen, damit die Ausschabung unter Vollnarkose stattfinden konnte. Als ich wieder zu mir kam, legte mir mein Mann unseren Sohn wieder auf die Brust. Die nächsten Stunden bestanden aus kuscheln und anlegen. Alle Schwestern lobten meinen Sohn, wie toll er schon an der Brust saugte. Als ich etwas zu Ruhe kam, bemerkte ich starke Schmerzen an meinem Steißbein. „Völlig normal“ sagte jede der Schwestern und auch die Ärzte zu mir, diese Worte sollte ich in den nächsten Tagen noch häufiger hören. Der eigentliche Stress begann zwei Tage nach der Geburt. Mein Baby hatte mehr als 10% seines Geburtsgewichts verloren, außerdem war sein Bilirubin über dem Grenzwert und er musste in den Fototherapiekasten, wo er unaufhörlich weinte. Zusätzlich machte mir mein Steißbein das Stillen im Sitzen beinahe unmöglich. Alles in allem war ich einfach nur noch gestresst. Obwohl er von außen betrachtet gut trank, nahm er immer weiter ab. Das Zufüttern begann, auch weil die Schwestern im Krankenhaus Druck machten. Da ich in einem „stillfreundlichen“ Krankenhaus war, wurde nicht mittels Flasche zugefüttert, sondern über eine kleine Magensonde, die mir neben die Brustwarze gelegt wurde, das sollte eine Saugverwirrung vorbeugen. Außerdem wird so die sogenannte Stillquote des Krankenhauses dadurch nicht negativ beeinflusst. So hatte mein Sohn beim trinken nicht nur meine Brustwarze, sondern auch die kleine Sonde im Mund, aus der die Pre-Nahrung floss. Das Ganze funktionierte nicht wirklich gut, was mich zusätzlich wahnsinnig stresste. Ich war psychisch am Ende und wollte einfach nur mit meinem Baby nach Hause.

Fünf Tage nach der Geburt wurden wir endlich entlassen. Zwei Stunden nach unserer Ankunft kam schon das erste Mal meine Hebamme. Ein Engel. Sie machte mir Mut, dass das mit dem Stillen schon noch klappen würde. Ich legte meinen Jungen oft an, obwohl mir jedesmal mein Steißbein „Hallo“ sagte. Erst 10 Wochen später stellte sich übrigens heraus, dass es gebrochen war, deshalb auch diese schrecklichen Schmerzen. Stillen, wenn man kaum sitzen kann ist wahrlich kein Vergnügen. Trotzdem nahm mein Sohn nicht gut zu. Also begann ich mich zu informieren, womit die Milchmenge gesteigert werden könnte. Also trank ich Karamalz und Stilltee, nahm Bockshornkleekapseln, ach eigentlich probierte ich alles, womit irgendwann mal eine Frau in Deutschland ihre Milchmenge steigern konnte. Trotzdem musste ich immer mehr Mahlzeiten zufüttern. Das Gewicht von meinem Sohn war immer grenzwertig und erst mit 3 Wochen hatte er sein Geburtsgewicht von 2960 Gramm wieder erreicht. Bei jedem Wiegen war mir schlecht vor Angst, dass die Waage wieder keine Gewichtszunahme verzeichnete. Es war, was das betrifft, keine schöne Zeit.

Ich hatte mir die Zeit nach der Geburt so schön vorgestellt und jetzt drehte sich alles nur ums Anlegen, Abpumpen und Zufüttern. Jede Mahlzeit dauerte minimum 1,5 Stunden, auch nachts. Meine Tränen flossen schneller und besser als meine Muttermilch. Meine Hebamme stand mir immer mit Rat und Tat zur Seite und unterstützte mich, wo sie nur konnte, später auch bei meinen Wunsch abzustillen. Eine Geschichte, die mir besonders in Erinnerung geblieben ist: Ich pumpte mit ihrer Hilfe eine halbe Stunde ab. Das Fläschchen war gerade mal bodenbedeckt. Sie ermutigte mich trotzdem und sagte:“ach komm, jeder Tropfen zählt. Das gibst du ihm zusätzlich zum Stillen und zur nächsten Flasche“. Als es soweit war und ich eine Flasche machen wollte, nahm ich das Fläschchen mit der mühsam abgepumpten Milch aus dem Kühlschrank und sie war eingetrocknet. Jetzt kann ich darüber lachen, damals war das der Punkt, an dem ich mir sagte:“ich will das nicht mehr“.

Rückblickend betrachtet war die Entscheidung nach 4 Wochen abzustillen, die für mich einzig Richtige. Das Abstillen war übrigens in zwei Tagen erledigt, so wenig Milch hatte ich. Erst dann bin ich richtig in meiner Mutterrolle angekommen, habe es genossen Mama zu sein. Ich habe förmlich gespürt, wie mir eine tonnenschwere Last von den Schultern fiel. Ein paar Wochen später waren wir beim Osteopathen, der feststellte, dass mein Sohn nicht richtig gesaugt hat. Vielleicht hat auch noch diese Tatsache dazu beigetragen, dass ich immer weniger Milch hatte.

Natürlich habe auch ich die erste Zeit mit mir gehadert. Schließlich kann man auch Angst bekommen, wenn man Sicherheitshinweise auf den Homepages der Premilchherstellter bestätigen muss „Stillen ist das Beste für Ihr Kind“ um weiter klicken zu dürfen. Möchte doch jede Mutter das Beste für ihr Kind! Auch die intimen Fragen von außenstehenden Personen: „stillst du“ und „waaas, du stillst nicht? Warum denn?“ tragen nicht dazu bei, dass das schlechte Gewissen schnell weggeht. In dieser Zeit hatte ich das Gefühl, dass sich die ganze Welt nur ums Stillen dreht. Auch heute versetzt mir z.B. der Hashtag #stillenistliebe einen kleinen Stich. Obwohl ich selbst weiß, dass ich meinen Sohn genauso liebe, wie Mütter ihre Kinder lieben, die stillen oder länger gestillt haben. Ob man stillt oder nicht sagt überhaupt nichts über die Liebe zum Kind aus. Ich habe das Fläschchen immer mit kuscheln verbunden, habe ihn zum Beispiel nie mit der Flasche und einem Kissen als Hilfe, sodass er alleine trinken konnte, ins Bett gelegt. So war auch das Fläschchen geben eine Sache mit viel Nähe zwischen ihm und mir. Heute, fast ein Jahr später, ist mein Kind eines der verkuschelsten Kinder die ich kenne. Kommt hergekrabbelt um mich kurz zu umarmen und krabbelt wieder weiter.

Und sind wir mal ehrlich, das Fläschchen geben hat zwar viele Nachteile, aber auch ein paar Vorteile. Der Papa kann auch mal eine Nachtschicht übernehmen, in der Öffentlichkeit muss keine Brust ausgepackt werden und das Abstillproblem, was andere Mütter haben, kenne ich nicht. Nur durchgeschlafen hat er auch nicht schneller als Stillkinder, leider 😉

Ich habe mit dem Nichtstillen meinen Frieden geschlossen, bin aber auch froh, dass mein Sohn inzwischen aus dem Alter raus ist, wo es noch Thema ist, ob er gestillt wird.  Stillen ist nur so lange gut, solange sich Mutter und Kind damit wohlfühlen. Mein Sohn und ich waren an dem Punkt, wo wir uns beide nicht mehr wohlgefühlt haben. Er, weil er nicht zugenommen hat und ich, weil ich einfach nur fix und fertig von dem Stillstress war.
Sollte ich nochmal ein Kind bekommen, würde ich selbstverständlich wieder probieren zu stillen. Ich selbst weiß, dass der Stress, der mir von außen gemacht wurde und den ich mir selbst gemacht habe, das Hauptproblem war. Beim zweiten Kind würde ich versuchen alles ruhiger angehen zu lassen. Meinem Sohn geht es prima, obwohl er nicht lange gestillt wurde. Seine Größe und sein Gewicht sind perfekt.

An alle Mama´s die auch nicht stillen können oder konnten: Legt das schlechte Gewissen ab und genießt das Mama sein. Im Nachhinein kann man es sowieso nicht mehr ändern. Die Babys werden auch ohne Muttermilch groß und entwickeln sich prächtig.

Viele Grüße Nicole

 


Hier gibt es die anderen Beiträge meiner einwöchigen Stillreihe:

Ann & Ronja

Franzi & Amelie

Kathy & Lia

Nicole & Taio

Nicole & Paul  (Flasche!)

Hanna & Moritz

Sarah & Enissa

 

Ihr wollt noch mehr Stillgeschichten lesen?

Dann schaut unbedingt bei Trendshock vorbei! Laura veröffentlicht jeden Sonntag eine neue Stillgeschichte!