Viele Frauen erleben ein wahres Hormonchaos nach dem Abstillen und erkennen sich selbst nicht wieder. Bekommt man so spät noch einen Babyblues oder hat es medizinische Hintergünde? Meine Gastautorin erzählt ungeschönt und ehrlich über die wohl schlimmste Zeit seit der Geburt ihres Sohnes.

 

Gastbeitrag


 

Abstillen.
Aufhören.

Wie nach 11 Monaten höchster Glücksgefühle, dem Gefühl der Unbesiegbarkeit & Sonnenschein ein dunkles Tal der Gefühle das nächste Anfahrtsziel wurde.

Ich hätte niemals gedacht, dass für mich und meinen kleinen Mann das Abstillen ein längeres Prozedere werden könnte.
Ist man unerfahren, hört man sich selbst sagen: „ach, ich stille bestimmt nur so maximal 9 Monate. Reicht.“
Nix da.
Rückblickend gesehen war und ist das Stillen für mich eine der besondersten und wundervollsten Erfahrungen, die ich jemals sammeln durfte. Ich habe das Stillen total genossen und mich auch gerade beim Zubettbringen meines kleinen Bubs aus dem Alltag herausgenommen. Wir lagen zusammen im Schlafzimmer, der Kleine trug bereits seinen Schlafanzug und -Sack und ich bemerkte, wie er mit jedem Schluck immer mehr und mehr entspannte. Ich auch.

Stillen war unsere Rückzugsoase

Mein Kleiner war schon seit dem Beikoststart ein guter Esser und immer neugierig was als Nächstes auf den Tisch kam. Daher fing ich an, die Stillmahlzeiten am Tag zu reduzieren und ihn nur noch abends, 1x in der Nacht und Frühs im Bett zu stillen. Das klappte wunderbar!

Dann kam das Hormonchaos nach dem Abstillen

Im Dezember, mit 10 Monaten, bekam er nur noch abends die Brust.
Für mich war das Ganze völlig okay – es nervte mich nur eher, wenn mich Bekannte fragten: „was???? Du stillst noch?!“
Ja. Ich stille noch. Weil es ihm gut tut.
Oder mir?! Mir.

Zum Jahreswechsel beschlossen mein Mann und ich, es wäre an der Zeit, das Stillen allmählich komplett ausschleifen zu lassen. So brachte mein Mann unseren Schatz ins Bett – ich versteckte mich im Schlafzimmer oder duschte. Er sollte mich nicht hören, sehen oder riechen.
Es klappte auf Anhieb!
Wir waren stolz auf unseren Bub. Und gleichzeitig fühlte ich mich traurig.
Im Stich gelassen.

Im Januar stillte ich mittlerweile nur noch nach Bedarf. Ich schätze 1-2 in der Woche und auch nur, weil meine Brüste wohl fast geplatzt wären! Parallel trank ich hier und da eine Tasse Salbeitee. Mehr nicht.

Der Kleine vermisste es gar nicht – fand ich das jetzt gut oder schlecht?!
Natürlich gab es Momente, wo er an mir hochkrabbelte und ich an seinen Gesten und an seinen funkelten Augen bemerkte, dass er es doch noch ganz gern hätte.
Aber wir fanden immer eine Alternative, die ihn glücklich machte.
Das beruhigt!

Aber gleichzeitig hatte ich als Mama Ängste.

Abstillen bedeuetet Aufhören und Loslassen.

Seit Januar begann für mich also eine völlig neue Zeit. Zum einen war ich frei, was meinen Körper betrifft.
Zum anderen… wollt ihr es wirklich wissen?!
Ich bin ein fröhlicher Mensch, habe ein liebes Wesen und bin auf Harmonie bedacht. All das fing an zu bröckeln.
Eines Abends überkam mich eine Panikattacke. Meine Kehle war zugeschnürt. Ich dachte, ich ersticke. Mit viel Zuspruch, vielen Tränen und Entspannungsmusik konnte ich mich selbst wieder zurückholen.

Und ab da ist mein Alltag gespickt von Tagen, an denen ich mich wie Wonderwoman fühle. Wie eine Löwenmama.
Das war nämlich das Schöne an der Schwangerschaft und Stillzeit:
Ich war stark wie eine Löwin. Egal ob es wenig Schlaf in der Nacht gab oder der Zahn wehtat, ich konnte am Tag putzen, arbeiten, rumpeln, Kind bespaßen und selbst nach 14 Stunden auf den Beinen den Kilimandscharo besteigen.

Das hörte abrupt auf. An manchen Tagen fand ich das Aufstehen allein schon Hölle. Oder essen?! Daran war nicht zu denken.

Nach dem Abstillen war nichts mehr wie vorher. Hormonchaos pur!

Ich handelte schnell und kontaktierte meine Frauenärztin. Meine Hebamme. Meine Hausärztin. Eine Psychotherapeutin, die auf Wochenbettdepressionen und Babyblues spezialisiert ist.
Schock. Jetzt noch? Ernsthaft?

Ich bekam den Tipp, mein Immunsystem als Erstes wieder anzukurbeln – die Stillzeit zehrt an uns Mamis extrem. Mit Schüsslersalze (es gibt eine Energiekur) versuchte ich es. Entspannungstee. Weniger Kaffee. P-sta Tropfen.

Das Hormonchaos macht einen anderen Menschen aus mir

Aktuell igele ich mich öfter ein, ziehe mich zurück.

Lasse meine Mama kommen, die dann meinen kleinen Schatz füttert und ich mich hinlegen kann. An Schlaf ist aber nie zu denken!
Gefühlt ist mein Puls immer on the run. Ich fühle mich nicht mehr wie die Löwin – sondern wie die Gazelle, die gejagt wird.

Da es zwischendurch viele gute Tage gibt, an denen ich motiviert bin, bin ich zuversichtlich, dass alles wieder gut wird.
Doch an den Tagen, wo all diese beschissenen Gefühle hochkommen und sich die Kehle zuschnürt und ich das Gefühl habe ich werde verrückt – ach und dann noch eine Windel wechseln… da verzweifle ich und fühle mich so so sooooooo allein!
Ich sagte in den vergangenen Wochen bestimmt tausende Male zu meinem Mann, dass ich VERRÜCKT werde! Ich habe Angst, was noch kommt. Ob es so bleibt.

Hilfe durch einen Hormonspeicheltest?

Durch meine Hausärztin, die von der Homöopathie viel hält, habe ich jetzt erfahren, es gibt einen Hormonspeicheltest.
Er ist keine Kassenleistung, kostet um die 100€, aber es wird nachgeschaut, was die Hormone in meinen Körper so alles treiben.
Recherchiert man im Internet nach diesem Hormonspeicheltest, findet man Fragebögen, die man mit „ja“ und „nein“ beantworten muss.
Ich erschrak! 98% aller Fragen konnte ich mit einem lauten „ja“ beantworten!!!
Fragen sind zB.: sind Sie unruhig? Haben Sie unergründliche Ängste? Leiden Sie an Appetitlosigkeit? Fühlen Sie sich erschöpft? Haben Sie ein Gedankenkarrussel?
Ja. Ja. Ja.

Wahnsinn, was Hormone anstellen können!

Ich hoffe echt auf diesen Test! Wenn mir gesagt wird, dass all dieses Chaos durch die ach so tollen Hormone wie Östrogen oder Progesteron verursacht wird, kann ich damit wahrscheinlich wesentlich besser umgehen.
Die Pille könnte da u.a. Abhilfe verschaffen und zur Hormonnormaliät führen.

 

Ich möchte später nicht an meinen Bub denken, und mich gleichzeitig  an die dunkelsten Tage meines Lebens erinnern.

 

Ihr seht: Abstillen ist für mich ein Riesenschritt gewesen. Zu Beginn emotional. Später psychisch. Und körperlich.

Ich hoffe, nein eigentlich hoffe ich es nicht, dass es einige von euch auch betrifft.
Es ist ein schreckliches Gefühl, zu glauben, man steht allein da.
Alle leben in ihrer heititeiti-Welt und ich hingegen frage mich nach dem Sinn jeden weiteres Tages.
Ich habe jeden Morgen Angst sobald ich wach werde, ob diese scheußlichen Momente, die Unruhe, Angst vor der Angst, zittrige Knie, Übelkeit und das Überfordertsein an diesem Tag wieder „hallo!!“ schreien.

Ich möchte unerkannt bleiben und wünsche mir, dass ich euch Mut mache! Gebt Miri Feedback!
Ich werde jeden einzelnen Kommentar lesen!

 


UPDATE – wie ging es weiter?

Wer wissen möchte wie es der Gastautorin heute ergeht, darf gerne den Folgebeitrag lesen:

Babyblues nach dem Abstillen? Mein Hormonchaos!

 

 


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