Wir Menschen stecken Leute gerne in Schubladen. Das machen wir automatisch meist schon in den ersten 10 Sekunden wenn wir jemanden sehen. Wir scannen Aussehen, Klamotten, Erscheinungsbild und Gesichtsausdruck und schwups, landet die Person in einer unserer vielen Schubladen. Oftmals passiert dies noch bevor wir überhaupt ein Wort mit der besagten Person gewechselt haben. Wechseln wir dann ein paar Worte und es entsteht eine unerwartete, nette Konversation, sind wir auch bereit unsere Schubladen zu öffnen und umzusortieren. Hat sich eine Meinung aber erst einmal verfestigt ist es garnicht mehr so einfach sie zu ändern.

Begegnungen im realen Leben

Treffen wir Menschen im „echten“ Leben und haben die Möglichkeit mit Ihnen durch ein Gespräch in Kontakt zu treten, stecken wir sie meisten in ungefährliche, ehrliche Schubladen. Wir kategorisieren sie nach unseren Erfahrungen und Begegnungen, die wir in unserem Leben bisher hatten. Ein wichtiger Punkt hierbei ist, dass wir die Entscheidung selbst treffen. Wir lernen den Menschen kennen und stellen für uns fest ob er mit uns auf einer Wellenlänge liegt oder er uns unsympathisch ist. Ebenfalls setzen wir selbst den Wichtigkeitsgrad dieser Person fest. Handelt es sich um einen Vorgesetzten oder eine Verkäuferin im Klamottenladen. Ist die Meinung der anderen Person wichtig für uns oder können wir darauf verzichten?

Urteilen ohne Nachzudenken

Oft denken wir darüber garnicht bewusst nach. All diese Kategorisierungen laufen fast schon automatisiert ab. Lediglich sehr positive oder negative Begegnungen bringen uns dazu bewusst über die Person nachzudenken und die Schubladen, in die wir sie gesteckt haben, zu öffnen. Müssten wir über alle Begegnungen, die wir an einem einzigen Tag haben bewusst nachdenken, wären wir ganz schön überfordert. Also erledigt unser Unterbewusstsein die Sache.

Schubladen in der Onlinewelt

Heutzutage ist unser Schubladensystem ziemlich gefährlich. Denn viele Begegnungen finden online statt. Ohne ein echtes Zusammentreffen fällt es uns schwer Personen richtig einzuschätzen. Da wir aber unterbewusst alles und jeden in irgendeiner Weise einschätzen wollen, fangen wir an zu Mitteln zu greifen, die die Realität ganz schon verzerren können. Ich versuche dies anhand ein paar Beispielen einmal zu veranschaulichen.

Die Gefahren von Instagram

Nehmen wir einen Instagram Account, der sehr liebevoll aufgebaut ist. Man sieht, dass sich die Fotografin sehr viel Mühe gibt und alles so anordnet, dass wirklich jedes Bild stimmig mit den bereits vorhandenen harmoniert. Sie gibt nicht viel von sich preis, schreibt kurze Texte und schwups hat sie von uns den Stempel „Langweilig“ oder „Fake“ bekommen. Das hinter den perfekten Bildern und kurzen Texten aber vielleicht eine Frau sitzt, die unglaublich gerne fotografiert und sich einfach bewusst nicht viel mit „fremden“ Leuten austauschen will, im echten Leben aber eine tolle Freundin wäre, bedenken wir nicht.

Dann gibt es die Mutter, die ihr Kind täglich in perfekt abgestimmte Outfits steckt und diese für ihre Kooperationen ablichtet. Bald schon ist man genervt, weil man denkt, ihr ganzes Leben sei gesponsert. Das sie sich ohne die ganzen Kooperationen aber die Oufits garnicht leisten könnte und dankbar ist über Instagram einen Weg gefunden zu haben, ihrem Kind „mehr“ zu bieten, kommt uns bei unseren Urteilen oft nicht in den Sinn.

Auf die Fotos der Sportskanone sind wir neidisch. Sie macht täglich Sport, steht stundenlang in der Küche und postet dann noch das perfekte Foto vom gesündesten Essen dieser Welt. Dazu sieht sie auch noch unverschämt gut aus. Unfair. Muss doch Fake sein. Mögen wir nicht. Das hinter dem sportlichen Mädchen aber vielleicht eine Person steckt, die einmal an einer Essstörung gelitten hat und ihr Leben nur mit dieser Disziplin auf einen gesunden Weg gelenkt hat, wissen wir oft nicht.

Um das Ganze auch einmal umzudrehen kommt hier noch ein Letztes Denkbeispiel. Es gibt auch Menschen, die sich nach Außen hin immer nett und freundlich zeigen. Getan wird dies aber nicht aus Nächstenliebe sondern aus reiner Berechnung. Sei lieb zu deinen Followern und du wirst wachsen. Das hinter manch einer Strahlefrau mit dem perfekten Leben aber vielleicht eine Dame mit geringem Selbstwertgefühl sitzt, die sich ihre Bestätigung aus dem Netz holen muss um ihr Ego zu füttern, weiß man oft nicht.

Öffnet eure Schubladen

Was ich mit diesem Artikel von euch will? Das ihr eure Schubladen öffnet. Das ihr nachdenkt bevor ihr Menschen, die ihr nicht kennt, einen Stempel aufdrückt. Gerade heutzutage wird es immer schwerer Menschen richtig einschätzen zu können. Man kennt sich nur noch über Bilder und Texte, die vorher gezielt ausgewählt und überlegt werden. Wir kennen sozusagen präsentierte Charaktere und Lebensmodelle und vergessen dabei, dass die echte Welt eine andere ist.

Das ist nämlich der Punkt. Wir wissen nicht wer wirklich hinter der Fassade steckt. Und solange wir das nicht wissen sollten wir Menschen überhaupt nicht in Schubladen stecken. Menschen, die man nicht kennt und die man im echten Leben vielleicht nie treffen wird, sollten im eigenen Leben eigentlich überhaupt keine so große Rolle einnehmen, damit man über die sprechen oder nachdenken muss.

Was ist wenn man selbst in eine Schublade gesteckt wird?

Ich weiß, das klappt nicht immer. Vor allem wenn man selbst betroffen ist. Habe ich doch auch schon die Erfahrung machen müssen, dass über mich gesprochen wurde und das dies auch noch Dinge waren, die nicht der Wahrheit entsprachen. Nun stecke ich vermutlich bei manch einer Person in einer Schublade, in die ich nicht gehöre. Egal ist es mir (noch) nicht – sitzt der Ärger darüber noch zu tief. Dennoch weiß ich, dass man sich selbst eine Art Schutzschild aneignen muss wenn man sein Leben online preisgibt.

Was andere über mich denken kann ich nicht beeinflussen

Denn nur weil ich versuche Menschen nicht in Schubladen zu stecken heißt das nicht, dass andere es nicht mit mir tun. Welchen Stempel ich aufgedrückt bekomme kann ich nicht ändern und erst recht nicht beeinflussen. Ich kann die Gedanken und Taten von anderen nicht beeinflussen. Ich kann lediglich meine Reaktion und Gedanken darüber ändern. Und hier wären wir beim zweiten Thema dieses Artikels.

Meine Gedanken kann ich beeinflussen

Meinungen von Menschen, die mich nicht persönlich kennen, haben mich nicht zu interessieren weil sie nur oberflächlich sind. Menschen, die urteilen obwohl sie nur oberflächlich an der Persönlichkeit von anderen kratzen, mag ich sowieso nicht. Echte Meinungen bilden sich nur wenn man sich die Mühe macht tiefer zu gehen. Wer sich diese Mühe nicht macht, sollte sowieso keinen Stellenwert in meinem Leben einnehmen.

Gedankenstützen

In der Theorie so einfach. In der Praxis oft schwierig. Deshalb möchte ich euch zum Schluss eine kleine Hilfestellung geben wenn ihr euch mal wieder über Menschen ärgert, die ihr eigentlich garnicht kennt.
Seid ihr im Gedankenstrudel der Negativgedanken gefangen, fragt euch einfach folgendes:

1. Möchte ich diese Person im echten Leben gerne treffen?
2. Ist es wirklich wichtig, dass mich diese Person mag?
3. Ärgert mich diese Sache auch noch nächste Woche / nächsten Monat / nächstes Jahr?

Vor allem der dritte Punkt hilft mir oft sehr. Wenn ich mich mal wieder über jemanden ärgere, der etwas blödes über mich gesagt hat oder sich mir gegenüber unfreundlich verhält. ich frage mich dann ob ich meine kostbare Zeit wirklich damit verschwenden will, mich darüber zu ärgern. Und ein Satz, den mein Freund zu mir gesagt hat, hat für mich selbst wirklich eine Menge verändert:

„An was möchtest du in 20 Jahren denken wenn du an die ersten Jahre mit deiner Tochter zurückdenkst? Möchtest du ernsthaft daran denken, dass du damals einen Mamablog gestartet hast und dich im Zuge dessen oft gedanklich damit beschäftigt hast was andere über dich denken, warum sie das tun und das manches unfair ablief? Möchtest du daran zurückdenken, dass du auf dem Spielplatz gedanklich bei Leuten warst, die dich nicht kennen, anstatt dich 100% auf deine Tochter zu konzentrieren und mit ihr zu lachen?“

Spätestens seit diesem Satz achte ich mehr auf meine Gedanken. Instagram, Facebook oder gar seinen Blog zu löschen ist keine Lösung, denn wenn man dazu neigt sich zu viele Gedanken zu machen werden immer wieder Menschen oder Situationen im Leben auftauschen, die einen runterziehen. Was wichtig ist, ist mit den eigenen Gedanken bewusster umzugehen.

Mehr Toleranz und Akzeptanz für mich selbst und für andere

Ich möchte nicht mehr vorschnell über andere urteilen und öffne all meine Schubladen. Und ich möchte mich nicht mehr damit beschäftigen was andere über mich denken und warum sie das tun. Ich finde mich selbst nicht jeden Tag gut, warum sollten es also andere tun? Mehr Toleranz und Akzeptanz für mich selbst und für die anderen in meinem Leben. Und mehr Konzentration auf das Hier und Jetzt. Denn die Gedanken, die mich vor 10 Jahren gequält haben, erscheinen mir heute total lächerlich – oder ich kann mich schon garnicht mehr daran erinnern. Lasst uns unseren Alltag nicht selbst schlecht denken. Dafür ist das Leben zu kurz!

Alles Liebe,
eure Miriam